Christian Euler wurde in Kassel geboren. Sein Vater, der lyrische Bariton Horst Euler, wirkte seit 1939 am dortigen Staatstheater, hatte von 1968-1980 eine Professur an der Musikhochschule Würzburg inne und sollte mit seiner Tätigkeit die musikalische Sensibilität seines Sohnes grundlegend prägen: Partien wie Glucks Orpheus, Mozarts Papageno, Rossinis Figaro oder Lortzings Zar gehörten zum festen Repertoire des Sängers und beeinflußten auf ganz natürliche Weise den Ton des Instrumentalisten.
Organisch und natürlich verlief auch Christian Eulers künstlerische Ausbildung. Nachdem er mit sieben Jahren die ersten Geigenstunden erhalten hatte und noch als Teenager lieber Klavier spielte, wechselte er während der Gymnasialzeit zur Bratsche, auf der er – begleitet von dem Schulorchester des Friedrichsgymnasiums – mit dem Konzert von Georg Philipp Telemann zu seinem ersten solistischen Auftritt kam. Der weitere Weg führte über die Musikhochschule Köln, wo Christian Euler von dem belgischen Bratscher Gérard Ruymen unterrichtet wurde, praktisch direkt zur New Yorker Juillard School. Seine dortige Lehrerin war Margaret Pardee, die Assistentin des legendären Iwan Galamian, die nicht nur die Violine, sondern auch die Viola beherrschte und ihren Studenten die spezifische Technik ihres »Chefs« in allen authentischen Einzelheiten beizubringen wußte.
Christian Euler besuchte damals Galamians Sommerschule Meadowmount, studiert bei Josef Gingold sowie den Mitgliedern des Juilliard Quartet Kammermusik und bildete sich überdies bei Walter Trampler, Harvey Shapiro und Emanuel Vardi fort – wobei der letztere besonders nachhaltige Spuren hinterließ. Der junge Bachelor steht zunächst als »feste Aushilfe« ein Jahr lang den New Yorker Philharmonikern zur Verfügung, bevor er, inzwischen mit dem Master’s Degree der Juilliard School versehen, zum Philadelphia Orchestra kommt, wo er bis 1991 als Stellvertretender Solobratschist und Dirigenten vom Range der Leonard Bernstein, Riccardo Muti, Zubin Mehta, Wolfgang Sawallisch, Erich Leinsdorf, Rafael Kubelik und Klaus Tennstedt aus nächster Nähe erleben kann. Als Mitglied des Philadelphia Chamber Ensemble und in anderen Formationen widmet er sich neben seinen orchestralen Aufgaben intensiv dem Kammermusikspiel, das ihn im Laufe seiner Karriere mit Franco Gulli, Bruno Giuranna, Natalia Gutman, Radu Lupu, Ulf Hoelscher, Silvia Marcovici und anderen renommierten Kollegen zusammenbringt.
Als man Christian Euler Anfang der neunziger Jahre eine Professur für Viola und Kammermusik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz anbietet, nimmt er an – ausgestattet unter anderem mit einem Empfehlungsschreiben seines bisherigen musikalischen Direktors Riccardo Muti, der praktisch zur selben Zeit seine Wirkungsstätte verläßt und dem designierten »Neuen« Wolfgang Sawallisch die Leitung des fabelhaften Klangkörpers überläßt.
Seit 1991 unterrichtet Christian Euler nun in Graz, wo er auch die Streicherabteilung leitete. Die kammermusikalischen Aktivitäten mußten ein wenig in den Hintergrund treten. Im regelmäßigen Wechsel zwischen dem ersten Wohnsitz München und der Hauptstadt der Steiermark verfolgt er nach eigenen Worten mit seinen Schülern das Ziel, die »unzähligen Witze über die Bratsche« ad absurdum zu führen – und auch bei den Meisterkursen, die er bislang in Deutschland, Spanien, Kanada, Polen, Kroatien, Estland, Zypern und Bulgarien gegeben hat, geht es sowohl um musikalische und technische Fragen als auch um die Vermittlung einer vielfach verkannten Tatsache: daß die Bratsche zwar auf den ersten Blick aussieht wie eine Violine, de facto aber ein ganz eigenes Instrument ist und demzufolge in ganz eigenen Tonwelten lebt.